Öffentliche Plätze sind beliebte Treffs und Aufenthaltsorte aller Menschen in allen Altersgruppen, die sich dort aufhalten und begegnen. Somit findet öffentliches Leben überhaupt erst statt. Bevorzugte Treffpunkte sind Spielplätze, Haltestellen, der Bahnhof, Einkaufszentren, Hinterhöfe, Frei- und Grünflächen, Parks, Brunnen, Sportanlagen, Schulen u.v.a.m.
Kinder und Jugendliche brauchen auch selbst organisierte Settings, um sich zu treffen, sich zu verabreden und zu agieren. Das Sich bewegen können in diesen Freiräumen ist für die Sozialisation unabdinglich und notwendig. Nach Erikson ist die psychosoziale Entwicklungskrise „Identität und Ablehnung gg. Identitätsdiffusion“ in der Pubertät zu bewältigen. Die jungen Menschen bewegen sich in „eigenen Gruppen und grenzen sich von „den Anderen“ ab. „Die Bewältigung von psychosozialen Krisen findet im Kontext von Beziehungen bzw. in einem sozialen Raum statt“ (Oerter, S. 323). Die Bewältigung von Entwicklungskrisen betrifft alle Kinder und Jugendlichen gleichermaßen, unabhängig vom sozialen Hintergrund. Jugendliche sind in dieser Phase der Entwicklung sehr mit ihrem eigenen Denken und Handeln beschäftigt. Dies geschieht unter Nutzung ihrer Bewältigungsmuster und Lebenserfahrungen. In der Phase der Adoleszenz bzw. Pubertät verändern sich Selbstwahrnehmung und die Gestaltung der Beziehungen des Einzelnen zur Umwelt deutlich (vgl. Mietzel, 2002, S. 338).
Durch Angebote für Kinder und Jugendliche werden Gestaltungsräume und Möglichkeiten geschaffen, in denen sich junge Menschen in ihrer Persönlichkeit ausprobieren und Kompetenzen entwickeln können. Die sozialpädagogische Arbeit ist ein Interaktionsprozess zwischen den Beteiligten, der offen angelegt ist und in dem sich jeder einbringen kann. Die Angebote orientieren sich dabei an der Lebenswirklichkeit und den Interessen der Kinder und Jugendlichen.
Zielgruppe:
- Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 21 Jahren, die Interesse an der Nutzung der Einrichtung haben
- Kinder und Jugendlichen, mit denen in der aufsuchenden Arbeit gearbeitet wird als Kontakt- und Anlaufstelle sowie zur Nutzung des offenen Angebotes und zum Kennenlernen anderer Kinder und Jugendlicher
- Die Nutzung erfolgt auf Basis von Freiwilligkeit.
Ziele:
- Bereitstellung eines nicht fremdbestimmten Lern- und Handlungsfeldes, wobei von der Grundannahme ausgegangen wird, dass Selbstbestimmung im Ergebnis der Auseinandersetzung mit einer fremdbestimmenden Umwelt erworben wird (Schlüter)
- Begleitung von Lernprozessen im Umgang mit Vielfalt, Komplexität und Ungewissheit
- Begleitung von Prozessen umfassender Persönlichkeitsbildung
- Bildung als Selbstbildung in offenen Prozessen als ein Reservoir von Möglichkeiten und Potentialen
- Mit Unterschieden konstruktiv umgehen und Konflikte bewältigen
- Begleitung und Unterstützung von Selbstorganisierungsprozessen Jugendlicher
- Auseinandersetzen mit den Realitäten von Kindern und Jugendlichen und Unterstützung von Möglichkeiten der Selbstbehauptung
- Entwicklung von Demokratieverständnis
Methoden:
Kontaktaufnahme und Abbau von Schwellenängsten
Die meisten im Projekt anzusprechenden jungen Menschen werden zunächst mit Zurückhaltung und Abweisung auf das Ansprechen durch die sozialpädagogischen Fachkräfte reagieren. In diesem Kontext sind zunächst einmal nur die sozialpädagogischen Fachkräfte motiviert, mit den jungen Menschen in ihren Gruppen zu arbeiten. Der Arbeitsauftrag in Bezug auf ein „doppeltes Mandat“ ist zunächst einmal abstrakt. In einem Orientierungs- und Aushandlungsprozess muss erst ein praktischer Auftrag mit den Betroffenen erarbeitet werden (vgl. Gehrmann, 2007, S. 94 ff.). Neben der sensiblen Kontaktanbahnung durch die sozialpädagogischen Fachkräfte einer akzeptierenden und zugewandten Haltung ist auch die methodische Herangehensweise von Bedeutung. Die sozialpädagogischen Fachkräfte weisen sich gegenüber den Kindern und Jugendlichen aus und stellen sich und ihre Aufgabe vor. Dabei kommen sie mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch, hören ihre Anliegen, Sorgen und Nöte und nehmen ihre Abwehr oder Interesse wahr.
Aufbau vertrauensvoller Beziehungen
Die sozialpädagogischen Fachkräfte müssen sich Zeit für den Aufbau von Beziehungen nehmen. Dabei orientieren sie sich an dem Tempo der Kinder und Jugendlichen. Sie sollen sensibel wahrnehmen zu welchen Zeitpunkten und in welchen Situationen die Anwesenheit an den Treffpunkten geduldet oder erwünscht ist. Die Akzeptanz und Bewältigung der Anfangssituation und das Einhalten der getroffenen Verabredungen sind bedeutsam für das Entstehen von Akzeptanz und Vertrauen gegenüber den sozialpädagogischen Fachkräften und für gelingendere Hilfen. Kinder und Jugendliche brauchen Erwachsene, die sich verantwortlich fühlen und Verantwortung übernehmen. Zu einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung gehört auch, dass Gefahren und wahrgenommene Probleme durch die sozialpädagogischen Fachkräfte angesprochen werden und mit den Adressat:innen Lösungen gesucht werden. Dabei werden auch Vorschläge unterbreitet, mit denen Fürsorge, Versorgung und Schutz gewährleistet werden können. Zur Nachhaltigkeit sind Lösungen der Adressat:innen im Sinne des Expertentums in eigener Sache anzustreben.
Interventionsberechtigungen ergeben sich nicht zwangsläufig durch eine rechtliche oder strukturelle Position. Vielmehr ist es für die Wirksamkeit von sozialen Interventionen bedeutsam, eine informelle Interventionsberechtigung zu erwerben. Diese entsteht auf der Grundlage von Vertrauen, Akzeptanz, belastbaren Beziehungen, Kompetenz und Partizipation.
Erweiterung individueller Kompetenzen zur Lebensbewältigung
Die betroffenen Kinder und Jugendlichen haben oftmals eine nicht altersentsprechende Autonomie erreicht. Sie haben gelernt, in schwierigen, teils traumatischen, Lebenssituationen zu überleben. Oftmals haben sie bereits frühzeitig Erwachsenenrollen in ihren Familien einnehmen müssen. Zum einen haben sie sich wertvolle soziale Kompetenzen (Resilienz) angeeignet. An diese Stärken wird angeknüpft. Zum anderen tragen diese Bewältigungsstrategien auch erhebliche Entwicklungsrisiken in sich. Mit den Adressat:innen werden ausgehend von ihren Lebenserfahrungen Lebensperspektiven entwickelt, die sich nicht an Normalbiografien orientieren, sondern an den individuellen Möglichkeiten und Vorstellungen. Dazu werden finanzielle, personelle und soziale Ressourcen erschlossen.
Stärkung positiver Gruppenstrukturen
Ziel von sozialer Arbeit ist es nicht, die jungen Menschen aus ihren bestehenden Beziehungen herauszureißen oder die Gruppen aufzulösen. Vielmehr werden die bestehenden Beziehungen als wertvolle persönliche Ressource i.S.v. Resilienz verstanden (Scheilke, 2010). Die Kenntnisse gruppendynamischer Prozesse werden genutzt. Durch die Übertragung von Aufgaben innerhalb von Projektarbeiten und bei der Organisation von gruppenpädagogischen Aktivitäten wird initiiert, neue Rollen auszuprobieren. Die gruppendynamischen Prozesse werden mit den Akteur:innen reflektiert.
Förderung von Teilhabechancen, Abbau von Benachteiligungen und Eröffnung von Lebensräumen
Das Angebot will Kinder, Jugendliche und junge Volljährige dabei unterstützen, mit ihnen gemeinsam Benachteiligungen abzubauen, Lebensräume zu erhalten und Zugänge zu allen Lebensbereichen, insbesondere jedoch Schule, Ausbildung, Wohnen, Gesundheitsversorgung und soziale Hilfen herzustellen. Teilhabechancen sind jedoch nicht nur als Nutzung von Angeboten zu verstehen, sondern auch als Prozess des sich Einbringens, des Gestaltens und der Mitwirkung. Das Angebot hat auch das Ziel, ordnungspolitische Maßnahmen (Sanktionen bei Sozialleistungen, Hilfebeendigungen wegen fehlender Mitwirkung, Maßnahmen StGB) zu reduzieren, die eine direkte Benachteiligung darstellen (vgl. Bodenmüller, 2003, S. 346).
Lebenssituation als veränderbar begreifen
Viele Betroffene haben aufgegeben, darauf zu hoffen, dass sich in ihrem Leben etwas verändert. Insbesondere ist das dann der Fall, wenn viele Lösungsversuche mit Hilfeabbrüchen, Beziehungsabbrüchen und neuen Ausgrenzungen einher gegangen sind. Flucht, Aushalten und Verharren sind oftmals die übrig gebliebenen Verhaltensmöglichkeiten. Jeden Lösungsversuch als einen wichtigen Schritt des Entwicklungsprozesses zu begreifen, ist dann nicht mehr selbstverständlich. Die sozialpädagogischen Fachkräfte sollen hier Hoffnung vermitteln, indem sie Verständnis und angemessene Bewährungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus setzen sich die sozialpädagogischen Fachkräfte im Sinne einer Anwaltschaft mit den Betroffenen gemeinsam für deren Interessenvertretung ein.
Verbesserung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen
Soziale Arbeit hat auch die Aufgabe, sich für die Interessen der Zielgruppen in der Öffentlichkeit einzusetzen. Ein breites Spektrum an Angeboten der Jugendhilfe, der schulischen und beruflichen Ausbildung, anderer sozialer Hilfen und Angebote bedeutet nicht automatisch, dass diese auch für alle Menschen zugänglich sind. Vielmehr haben Einrichtungen und Institutionen eigene Logiken entwickelt, die ihrerseits selbst wieder Ausgrenzungsprozesse befördern. Es werden Anforderungen gestellt, die nicht verstanden werden, sinnlos erscheinen oder aus anderen Gründen nicht erfüllt werden, weil individuellen Problemlagen nicht entsprochen wird und Ermessensspielräume nicht ausgenutzt werden. Darüber hinaus tragen auch die Verhaltensweisen der Betroffenen aktiv oder passiv zu den Konsequenzen bei. Hier wird sich das Angebot mit den Betroffenen gemeinsam einmischen. Das Verwaltungshandeln kann auch eine unmittelbare Diskriminierung bedeuten, z.B. die tägliche Meldung im Jobcenter, wenn keine Meldeadresse vorhanden ist. Hier können unbürokratische Lösungen erreicht werden, wenn sich die Institution einlässt. Die sozialpädagogischen Fachkräfte beteiligen sich und nehmen Einfluss auf die Jugendhilfeplanung, z. B. durch die Anregung der Verbesserung von Zugängen, der Anregung von Angeboten und die Mitarbeit am „Bericht über besondere Lebenslagen von Kindern der Stadt Frankfurt (O)“ mit.
Quellenverzeichnis
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- Becker, Gerd/ Simon, Titus (1995): Handbuch Aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit – Theoretische Grundlagen, Arbeitsfelder, Praxishilfen, Juventa Verlag Weinheim und München.
- Bodenmüller, Martina / Piepel, Georg (2003): Streetwork und Überlebenshilfen, Verlagsgruppe Beltz Weinheim Berlin Basel.
- Böhnisch, Lothar/ Schröer, Wolfgang/ Thiersch, Hans (2005): Sozialpädagogisches Denken, Juventa Verlag Weinheim.
- Böllinger, Lorenz/ Stöver, Heino (Hrsg.) (2002): Drogenpraxis Drogenrecht Drogenpolitik, 5. völlig überarbeitete Auflage, Fachhochschulverlag Frankfurt am Main.
- Deinet, Ulrich (Hrsg.) (2005): Sozialräumliche Jugendarbeit, 2. völlig überarbeitete Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden.
- Freund, Jelka (o.J.): Zuhause auf der Straße, Werkstatt „Armutszeugnisse“, SoSe 03, WiSe 03/04. armutszeugnisse.de, URL: https://www.armutszeugnisse.de/themen/themen_09.pdf.
- Gehrmann, Gerd/ Müller, Klaus D. (2007): Aktivierende Soziale Arbeit mit nicht-motivierten Klienten, Walhalla Fachverlag Regensburg/ Berlin.
- Gillich, Stefan (2004): Profile von Streetwork und Mobiler Jugendarbeit – Antworten der Praxis auf neue Herausforderungen, 2. Auflage, TRIGA/VERLAG.
- Jahn, Michael (2001): Jugend und Sucht. Aufklären – verhüten – erkennen – helfen, 1. Auflage, öbv & hpt Wien.
- Kruse, Gunther/ Körkel, Joachim/ Schmalz, Ulla (2000): Alkoholabhängigkeit erkennen und behandeln. 1. Auflage, Psychiatrie-Verlag gGmbH Bonn.
- Krafeld, Franz Josef (1993): Jugendarbeit in rechten Szenen. Ansätze, Erfahrungen, Perspektiven, Edition Temmen Bremen.
- Landesgesundheitsamt im Landesamt für Soziales und Versorgung (2005): Befragung Brandenburger Jugendliche und Substanzkonsum BJS 2004/2005, Wünsdorf.
- Mietzel, Gerd (2002): Wege in die Entwicklungspsychologie. Kindheit und Jugend, Beltz Verlag Weinheim Basel.
- Scheilke, Christoph (2010): Werteerziehung und Gewaltprävention, Impulsreferat zur Kick-Off-Veranstaltung des Projekts Lebenslinien im Rems-Murr-Kreis am 05.03.2010 in Winnenden.
- Schneider, Ralf (2001): Die Suchtfibel. Wie Abhängigkeit entsteht und wie man sich daraus befreit; Schneider Verlag Hohengehren GmbH Bartmannsweiler.
- http://www.friedenspaedagogik.de/themen/zivile_konfliktbearbeitung/humanitaere_alternativen
- http://www.sw.fh-koeln.de/Inter-View/Kindheiten/Texte/Metapher/metapher.html
- http://www.partners-institut.de/weiterbildung/sucht.html